Liebe
Gemeinde,
Wie
viele Gespräche, wie oft haben Sie mit Familie, Freunden und Nachbarn in den
letzten Tagen über die Flüchtlingskrise an der Grenze zwischen der Türkei und
Griechenland geredet? Wie oft haben Sie über Klimaschutz à la Fridays for
future geredet? Oder: Der CDU-Parteitag und die Wahl eines Nachfolgers von
AKK? Alles unwichtig gerade! Wo sind die Themen allesamt geblieben, die die
Republik in endlosen Talkshows und am Stammtisch bewegt haben? Was ist
passiert? „Corona“ ist passiert.
Die Nachrichten, sie sind voll davon. Ob es die Tagesschau in der ARD, das Heute Journal im ZDF, Radio oder die Nachrichtenseiten im Internet sind, überall heißt es: Coronavirus, SARS-CoV-2 oder COVID-19. So werden die Bezeichnungen immer geläufiger und wir wissen nun lange Ungewusstes: Corona meint die Virusfamilie. SARS-CoV-2 meint den konkreten Virus dieser Familie und ist die Abkürzung für „Severe Acute Respiratory Syndrome-Coronavirus-2“, zu Deutsch also „Schweres akutes Atemwegssyndrom Coronavirus 2“. Diejenigen, die nach einer Infektion mit dem Virus Symptome zeigen, leiden aber dann unter der Atemwegserkrankung Covid-19. Die Bezeichnung ist wieder eine Abkürzung, die von „Coronavirus-Disease“ und dem Jahr des ersten Auftretens, also 2019, herrührt, eben Covid-19.
Egal, ob es nun um das Coronavirus geht, SARS-CoV-2 oder COVID-19 – eine Unsicherheit schwingt allerorten mit. Menschen werden in Quarantäne gesetzt, Städte und ganze Regionen abgeriegelt, Grenzen, Schulen und Kindergärten geschlossen und Hände werden sich zur Begrüßung nicht mehr gegeben. Veranstaltungen werden abgesagt – auch kirchliche Veranstaltungen werden bis zum 19. April 2020 (Gottesdienste) bzw. 30. April 2020 (Veranstaltungen) vorsichtshalber ausfallen. Und manch einer wird sich denken: Na, übertreiben die es nicht? Und andere mögen sich denken: Da muss noch viel mehr geschehen! Das Problem: Sehen können wir das Virus ja nicht.
Und
doch: Die Folgen sind schon jetzt massiv und unübersehbar. Und es ist absehbar,
dass es wohl eher mehr als weniger Einschränkungen gibt, jedenfalls die
nächsten Tage und Wochen.
Werfe
ich einen Blick in die Bibel, so fallen mir viele Geschichten auf, in denen es
um Unsicherheit, ja, vielleicht sogar Panik geht. Gewiss geht es da nicht um
Viren, aber um unmittelbare Gefahren: Feindliche Kriegsheere stehen vor
Jerusalem, plündernd und mordend. Tyrannisierende Pharaonen und Könige trachten
nach Hab und Leben. Geflüchtete Menschen stehen mit Nichts in den Händen in der
Fremde von Babylon. Auch wenn das ein anderes Kaliber ist, mir viel, viel
bedrohlicher erscheint, so sind das doch schon längst passierte Geschichten.
Das war früher, ja, „Corona“ ist heute. Hier in Deutschland, in Lippe, in Bad
Salzuflen-Schötmar.
Und
doch wollen diese vielen Geschichten in der Bibel, diese Geschichten von
früher, etwas erzählen ins Heute. Das wurde alles in der Bibel aufgeschrieben,
damit nachfolgende Generationen darin lesen können und nachspüren, nacherleben
können, was damals passiert ist und v.a. was damals geholfen hat. Und das ist
Gott. Immer und immer wieder. Etwa 1.000 Jahre Geschichte der Menschheit sind in
der Bibel abgedruckt. Und immer wieder hat es sich neu als wahr erwiesen, wie
es heißt: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft
und der Liebe und der Besonnenheit (2.Timotheus 1,7). Immer wieder haben
Menschen im Angesicht von Unsicherheiten die Erfahrung gemacht: Lebt nicht aus
der Angst, sondern lebt aus dem Vertrauen! Der Geist der Kraft, Gottes Kraft
als Schöpferkraft ist in uns, ist bei uns. Gottes Geist der Liebe als
wohlwollender, tröstender und gütiger Geist umfängt uns. Gottes Geist der
Besonnenheit als ruhiger Pol im Strudel der Ereignisse ist der Felsen, der
hält, darauf wir das Haus des Glaubens gebaut haben.
Bei
allem, was jetzt an Vorsichtsmaßnahmen ergriffen wird, wissen wir: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts
mangeln (Ps 23,1). Das hilft gegen Panik und Überreaktion.
Der
Blick in die Nachrichten der letzten Tage, die ernsten Gesichter der Politiker
und Experten, die Maßnahmen der Schließung und Abschottung überall auf der Welt
lassen bisweilen ja den Gedanken auftauchen, dass das Ende der Welt ist. Das
ist es natürlich nicht. Das ist nicht das Ende der Welt. Aber es ist ein
Innehalten der Welt. Es ist ein vorsichtiges Tasten nach dem, was gerade
gefordert ist – medizinisch oder auf Grund des öffentlichen Drucks. Manchmal
geht es nicht anders, als vorsichtig auf Sicht zu fahren und dann
Entscheidungen zu treffen, wenn sich deutlicher abzeichnet, was zu tun ist.
Was
wir als Kirche, was wir als Christen in der Kirche und zu Hause tun können, das
ist doch zweierlei: Zunächst dort Hilfe leisten und Unterstützen, wo es nötig
bzw. verantwortbar ist. Unsere Stärke als Kirche und Christen ist von alters
her, dass wir uns um kranke und bedürftige Menschen sorgen. Und sei es auch nur
ein liebgemeinter Anruf, ob denn alles in Ordnung ist.
Das,
was wir als Christen, hier in der Kirche und zu Hause aber v.a. tun können, das
ist beten im Vertrauen auf Gott. Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist
der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit
(2.Timotheus 1,7). Gott hat uns gegeben den Geist des geduldigen Vertrauens.
Gott hat uns gegeben die Gewissheit, dass er – komme, was wolle, früher, heute
und in Zukunft! – bei uns ist. Er hat uns gegeben den Geist Kraft, den Geist
der Liebe und den Geist der Besonnenheit.
Du Gott der Kraft,
Ungewissheit und Angst erfüllen unsere
Gedanken.
Wir sind in Sorge.
Wir sorgen uns um unsere Lieben.
Wir vertrauen sie deiner Fürsorge an.
Behüte und bewahre sie.
Und wir vertrauen uns deiner Fürsorge an.
Behüte uns und bewahre uns.
Wir bitten Dich: Herr, erbarme Dich.
Du Gott der Liebe,
Krankheit bedroht uns alle und besonders die
Schwachen.
Viele fühlen sich hilflos.
Wir vertrauen die Kranken deiner Fürsorge und
unserem Gebet an.
Behüte und bewahre sie.
Wir bitten für die Sterbenden –
in unserer Nähe und in aller Welt.
Behüte sie und erbarme dich.
Wir bitten Dich: Herr, erbarme Dich.
Du Gott der Besonnenheit,
Wir danken dir für alle,
die in Krankenhäusern, Laboren und Ämtern
arbeiten
und sich um das Wohl aller mühen.
Behüte und leite sie und erbarme dich.
Wir bitten Dich: Herr, erbarme Dich.
Du Gott des Lebens, Jesus Christus,
du rufst uns und wir wollen dir nachfolgen.
Hilf deiner Gemeinde,
mache ihren Mut größer als ihre Furcht,
tröste sie in Angst,
begeistere sie,
erfülle sie mit Liebe
damit sie deine Liebe weitergibt.
Denn du hat uns nicht gegeben den Geist der
Furcht,
sondern der Kraft
und der Liebe
und der Besonnenheit.
Heute und alle Tage.
Amen.
Pfarrer Dr.
Sven Lesemann